Leben in besonderen Zeiten - Das Schreiben

Mehr denn je brennt das Bedürfnis zu schreiben in mir. Ich fühle mich durch diese besondere Zeit angefasst, ja sogar herausgefordert Stellung zu nehmen. Es sind Zeiten mit widersprüchlichen und verwirrenden Informationen, mit Angst, Not und Sorge und auch mit zunehmender Unruhe und Ungeduld. Als Herzensmensch fühle ich mehr, als ich weiß. Mein Wissen reicht bei Weitem nicht aus, um die Komplexität der Lage zu erfassen. Sie ist größer als alles, dass ich bislang erleben durfte.

 

Das Schreiben ist mein Mittel, den Strömungen dieser Zeit zu begegnen. Es ist mein Anker, meine Oase und auch mein Kraftort. Es reinigt, belebt und stabilisiert mich. Es führt mich bei all der äußeren Bewegung zu mir zurück, lässt mich immer wieder in mich einkehren. Wenn ich nicht schreiben dürfte, dann würde ich an den Gedanken und Worten ersticken müssen, die in mir kreisen, die sich auf und ab bewegen und mich angebunden halten. Durch das Schreiben lasse ich sie los. Es ist ein Freischreiben, ein Raum schaffen und auch ein nach Hause kommen.

 

Es gibt Tage, an denen fühle ich mich stärker angefasst, als an anderen. Dann möchte ich drastische Worte nutzen, mit Worten um mich schlagen, zur Besinnung rufen, auf Dinge hinweisen, sie deutlich machen. Als Herzschreibende liegt mir jedoch nicht dran, die Kluft zwischen Schwarz und Weiß noch weiter zu vertiefen und die Fronten noch stärker zu verhärten. Vielmehr möchte ich meinem innerem Bewegtsein einen Platz anbieten und dabei die Sprache des Herzens bewahren. Im Ringen nach treffenden Worten habe ich die Poesie entdeckt. In ihr habe ich einen wunderbaren Weg gefunden, den Regungen meines Herzens Ausdruck zu verleihen. Gefühle, Gedanken und Stimmungen dürfen sich auf diese Weise in ausdrucksstarken, kraftvollen, aber auch verletzlichen und zarten Bildern widerspiegeln. Selbst schwierige Themen oder auch kritische Äußerungen können mit Worten umspielt ins außen gelangen, jedoch ohne dabei anklagend, vorführend oder wertend zu sein. Ich atme die Welt und ihre Strömungen ein und atme sie als Buchstaben wieder aus, bringe sie als Essenzen eines intensiven Wahrnehmungs- oder als Resultat eines Schreibprozesse komprimiert zu Papier.

Die Interpretation der Bilder, die sich durch die beschreibende Sprache zeigt, liegt im Leser selbst. Er geht auf seine Weise in Resonanz mit den Zeilen, sieht darin das, was in seiner Verständniswelt von Bedeutung ist.

 

Worte bieten Möglichkeiten. Sie sind ein weites Feld und auch ein offener Raum.

Mit dem Herzen geschrieben Worte haben eine besondere Qualität, sie bilden eine nährende Verbindung zwischen Herz und Verstand.

 

 

Leben in besonderen Zeiten - Wo bist du?